Da wir erst zu Mittag Beijing verlassen sollten, konnten wir unser Besichtigungsprogramm um einen Punkt erweitern. Wir starteten vom Hotel bereits um 8:30 und fuhren zum Beihai-Park, für dessen Besichtigung wir gerade noch genug Zeit hatten (9:15-10:00).
Der Beihai-Park ("Nord-See-Park") ist das alte Herz Beijings und hat eine Geschichte von über 1000 Jahren. Auf der künstlich angelegten "Jade-Insel" stand in der Liao- und Yuan-Dynastie (unter den Mongolen hieß der Ort Khanbalik und diente zeitweilig als Hauptstadt des chinesischen Teils des Weltreiches) der kaiserliche Sommerpalast.
Da sich die Anlage in den nachfolgenden Jahrhunderten stets ausdehnte, wurden die umliegenden Ufer einbezogen. Als die Ming-Herrscher von Nanjing hierher umzogen, haben sie ihren neuen Palast ganz auf das östliche Ufer des Sees gelegt: der "Alte Palast", Kaiserpalast. Damit war die Jade-Insel verwaist, die alten Gebäude verfielen.
Die "weiße Pagode", ein tibetanischer Tschörten, und der Yong`an ("Ewige Ruhe")-Tempel zu ihren Füßen - von ihnen aus hatten wir einen einprägsamen Blick auf den Kohlenhügel und den Kaiserpalast, wurden von den Ming-Kaisern Shunzhi 1651 und Qianlong (1736-1795) anläßlich zweier Dalai Lama Besuche errichtet.
Da unsere Maschine nach Xi´an vom Südbeijinger Flughafen starten sollte, wurden wir nach der Besichtigung des Beihai-Parks zum vorgezogenen Mittagessen (11:00-12:00) gen Süden in das Huayuan ("China-Garten"-) Hotel gebracht. Bei unserer Ankunft erlebten wir eine Überraschung: Es begrüßte uns ein Dokumentar-Fernsehteam, das anläßlich der Einweihung des Hotels 1987 - im letzten Jahr hatte sich dazu keine Gelegenheit mehr ergeben - einen Filmbericht zu erstellen hatte.
So wurden wir unter Scheinwerfern als "Primärgäste" vom gesamten Mitarbeiterstab des Hotels willkommen geheißen, mußten formell ein Zimmer belegen und Einkäufe tätigen und wurden bei der Einnahme unserer Plätze an den runden Tischen und dem Empfang unserer Getränke gefilmt. Ansonsten verlief das Essen recht normal.
Den gastlichen Speisesaal des neuen Hotels verließen wir mit dem Ziel Flughafen Beijing Süd um 12:00.
Wegen des innerchinesischen Flugs waren keine größeren Formalitäten notwendig, so dass das Einchecken nur wenig Zeit in Anspruch nahm (12:10-12:30). Die Maschine (eine Tupolev 154M) der CUA-Charterfluggesellschaft hob in Beijing um 13:13 ab und landete um 14:36 auf dem Flughafen in Xi´an.
Xi´an gilt als Wiege der chinesischen Kultur am Mittellauf des Huanghe: Ausgrabungen in der näheren Umgebung der Stadt brachten Wohnanlagen aus der Yangshao-Zeit (6.-3-Jahrtausend v. Chr.) ans Tageslicht, und Xi´an selbst fungierte - in alter Zeit mit dem Namen Chang`an ("Immerwährender Friede") - mit Unterbrechungen als Sitz von elf Dynastien. Für die machtpolitischen und kulturellen Entwicklungen waren die der westlichen Zhou (1122-771 v. Chr), Qin (221-206 v. Chr.), westlichen Han (206 v. Chr. - 9 n Chr.), Sui (581-618) und Tang (618-960) - während der letzten dürfte Xi´an seinen absoluten Höhepunkt erreicht haben - am wichtigsten.
Als altehrwürdiges Herrschaftszentrum stand Xi´an auch danach im Bannlicht des Interesses und wurde deshalb stets mit herrlichen Bauwerken - zumal in der Ming-Zeit - ausgestattet.
Im Flughafengebäude wurden wir von Frau Deng als Ortsführerin begrüßt, und zu dem Bus mit dem Fahrer Wang geleitet. Wir begannen gleich mit der Besichtigungstour:
1.) Westtor (15:00-15:25): Xi´an ist eine der wenigen Städte Chinas, deren Stadtmauer nicht vollends geschleift worden war. Um der großen Zahl der über 70 Sehenswürdigkeiten noch eine weitere hinzuzufügen, begann man mit Restaurations- und Renovierungsarbeiten an der 14 km langen, im Rechteck angelegten, durchschnittlich 12 m hohen und 9 m breiten Stadtmauer aus der frühen Ming-Zeit (1370), dem ein 30-50m breiter Verteidigungsgraben - heute als endlos erscheinender Park konzipiert - vorgelagert ist. An den vier Seiten der Mauer liegt, nach den Himmelsrichtungen ausgerichtet, jeweils ein Stadttor, von denen wir das fertig renovierte westliche besichtigten.
Die mächtige Toranlage, in deren Aufbauten u.a. das Stadtmuseum untergebracht ist, präsentiert den üblichen Baustil: Zwei einander gegenüberliegende Torbauten - der äußere Bau ist der Feindturm, der innere der Haupturm - flankieren ein großes freies Areal und bilden in der Längsseite eines Rechtecks, dessen beiden Kursierten von den Enden der heranführenden Stadtmauer herrühren; von hier aus kann man übrigens besonders gut den Fortschritt der Rekon- struktionsarbeiten überblicken. Das Torareal diente in Zeiten der Gefahr als Trutzburg und als Aufmarschplatz für das Heer. 2.) Fahrt durch die Südachse der Stadt von West nach Ost: (15:25 - 15:50): Instruktiv war die Durchquerung der Altstadt innerhalb der Stadtmauer in west-östlicher Richtung. Wir folgten zunächst der Xida-jie-Straße, also dem Westteil der Achse bis zum Glockenturm und befuhren dann die Dongdajie-Straße, den Ostteil der Achse bis kurz vor das Osttor. Hier bogen wir in Richtung Süden ab und durchquerten die Stadtmauer durch ein neu angelegtes Straßentor in der Südflanke der Mauer.
3.) Cloisonné-Werkstatt (16:00-16:45): Einige Kilometer südlich der Stadtmauer, also in der südlichen Neustadt, kehrten wir in einem mehrstöckigen Handwerkszentrum ein, von dem uns vor allem die Cloisonnné-Werkstatt im 2. Obergeschoß interessierte.
Wollten wir doch einmal sehen, wie eines der bekanntesten Handwerksprodukte Chinas entsteht. Wir lernten die verschiedenen Arbeitsgänge kennen und begaben uns dann in den Ausstellungsraum im Erdgeschoß, wo ich dann auch eine schöne Vase kaufte.
4.) Große Wildgans-Pagode, das Wahrzeichen Xi'ans (16:55-18:00): Unweit südlich der Cloisonnné-Werkstatt ragt die grosse Wildgans-Pagode auf, das Herzstück des "Tempels der Gnade und Barmherzigkeit". Die Pagode wurde in der frühen Tang-Zeit errichtet und überragt den Tempel, in dem der Buddhist und Indienpilger Xi'anzang nach seiner Rückkehr aus Indien lebte. Xi´anzang durchzog im 7. Jh. die Stätten des Ursprungs des Buddhismus und brachte zahlreiche Lehrschriften mit, die er dann ins Chinesische übersetzte.
Nach den Besichtigungen kehrten wir in dem modernen Hotel Tangcheng ein, unser Domizil für die nächsten beiden Nächte.
Frühstück um 7:30, Abfahrt mit dem Bus um 9:00 nach Banpo (9:40-10:30): Die neolithische Siedlung Banpo am Ostrand der Stadt wurde 1953 entdeckt und gilt seitdem als herausragendes Beispiel für die Yangshao-Kultur am mittleren Huanghe. Wir besichtigten zunächst die beiden Museumshallen, in denen die hier gemachten Kleinfunde aus dem 6. - 3. Jahrtausend v. Chr. ausgestellt sind. Dann gingen wir hinüber zu der überdachten Ausgrabungsstätte, in der Befestigungswall und-graben, Speicherlöcher, Bestattungslöcher für Kleinkinder, Brennöfen und die runden oder eckigen Vertiefungen der Hausböden, deren herausragende Dachaufbauten nicht mehr erhalten sind, wie am Tag der Ausgrabung vor uns liegen. Glücklicherweise lag das Besichtigungsprogramm weitgehendst im Innern von Gebäuden, denn es schüttete die ganze Zeit wie aus Kübeln.
Anschließend fuhren wir in den Ort Lintong zum Mittagessen (11:45-12:36)
Auch der Nachmittag war mit Besichtigungen ausgefüllt:
Qin She-huang-di und sein unterirdisches Heer (12:45-14:20):
Nur kurz war unsere Fahrt vom Restaurant zur Ausgrabungstätte mit dem Unterirdischen Heer des ersten Kaisers Chinas, Qin She-haung. Bei heftigem Regen verließen wir den Bus und suchten Schutz unter dem ausgedehnten Dach über dem Archäologen-Eldorado.
Hier hielt uns Frau Deng einen Einführungsvortrag, der die Umstände der Entdeckung und den Fortgang der Ausgrabungstätigkeiten (seit 1974) hervorhob. Mit Blick auf das Heer erfuhren wir zudem Vieles über das Heerwesen unter dem Qin-Kaiser, die Aufstellungsordnung der Tonsoldaten und die Anfertigung derselben. Dann hatten wir genügend Zeit herumzugehen und den Soldaten so gut wie möglich in die Augen zu sehen. Die Ausgrabungen gerieten in den letzten Jahren ins Stocken - bereits aufgedeckte Schächte wurden zum Schutz der nicht restaurierten Figuren wieder zugeschüttet.
Nach dem Rundgang durch die Haupthalle (12:45-13:20) besichtigten wir zunächst die rechte Nebenhalle (13:20-13:45) und erhielten dann Einlaß in die neu eingerichtete linke Nebenhalle, in der die jüngst entdeckten Prunkwagen von Kaiser und Würdenträgern ausgestellt sind (13:50-14:15). Da bestaunten wir nicht nur die Pracht der Rosse und Wagen (Modelle im Größenverhältnis von 1:2), sondern auch die Akribie, mit der die einmaligen Funde aus Bronze mit Resten der ursprünglichen Bemalung restauriert worden sind.
Husqing-chi (14:35-14:50): Die malerische Parkanlage der Heißwasserquellen am Fuß des Li - Berges mit gepflegten Pavillons und sich in Teichen spiegelnden Laubengängen konnte bei uns wenig Begeisterung auslösen, weil es immer noch in Strömen regnete. Trotzdem statteten wir dem durch den Sogenannten Zwischenfall vom 12.12.1936, währenddessen Generalissimus Jiang-gaische in vorübergehende Gefangenschaft geriet, berühmt gewordenen Areal einen kurzen Besuch ab. Schon seit alters war dieses Gebiet Ausflugsziel und Erholungsort der Kaiser etlicher Dynastien ab der Tang-Zeit, sowie der Herren der Republik. Heute dient es als Zufluchtsort erholungsbedürftiger Kur- oder Feriengäste.
Provinzmuseum (15:50-17:45): Unter der Südostecke der Stadtmauer breitet sich hinter einen prachtvollen Ehrentor aus der Ming-Zeit nach Norden hin die ausgedehnte Anlage von Gärten Hallen und Pavillons des ehemaligen Konfuziustempels aus, unter dessen Dächern sich seit den 50-iger Jahren das reich bestückte Provinzmuseum befindet. Unser erstes Ziel war der "Stelenwald", in dem über tausend Steinstelen aus allen Epochen der großen Geschichte Chinas, speziell die der Provinz Shaanxi und der Stadt Xi´an, stehen. Längere Zeit hielten wir uns in der Halle mit den Steintafeln auf, die Texte der klassischen Literatur der konfuzianischen Tradition bieten, gingen dann in die mit den Stelen der verschiedenen Schrifttraditionen, Lehrbeispielen, chinesischer Malerei im Reliefstil und der kaiserlichen Stiftungen - hier interessierte uns vor allem die Gründungsstele für die erste nestorianisch-christliche Gemeinde im Jahr 683, die 781 gemeißelt wurde: Am oberen Ende, im Tympanon, weist sie ein östliches Malteserkreuz und am unteren eine christlich syrische Inschrift auf.
Anschließend durchstreiften wir die Hallen der Steinskulpturen vornehmlich der Han und Tang Zeiten - hervorzuheben wäre hier die Skulptur Laozes - und abschließend die der Kleinfunde aus der Tang-Zeit mit eindrucksvollen Stücken der typischen drei-Farben Keramik.
Nach dem Abendessen besuchten wir einen Tang-Musikabend (20:30-21:30): Seit Jahren gilt der Besuch der in Xi´an präsentierten Tang-Musik auf alten Instrumenten und der Tang-Tänze mit entsprechender Kostümierung als ein Höhepunkt eines Xi´an-Besuches. Denn Forscher hatten in jahrelanger Kleinarbeit eine Tang-zeitliche Atmosphäre wiederbelebt. Diese wurde aber im Zuge einer Neuinszenierung auf der Bühne eines Joint-venture-Saales von Hongkong weitgehend zunichte gemacht. Die Künstlergruppe aus dem Theatersaal des Freundschaftshotels mußten sich vermarkten lassen und haben noch nicht wieder zu ihrer Originalität zurückgefunden. Nichtsdestoweniger hinterließen die Instrumental- und Gesangstücke sowie die Tanzvorführungen einen nachhaltigen Eindruck.
letzte Änderung: 27.11.2019 · Copyright © 2003 - 2024 by Angelika Rosenzweig