Wegen des dichten Programms verließen wir unser Hotel bereits um 8:20 und fuhren durch Platanen- und Kupferbaum-Alleen, die wegen der vielen Arbeiter, die auf dem Weg zur Arbeit waren, geradezu überfüllt schien.
1.) Erste Seidenspinnerei Suzhous (8:35-9:05): wir folgten dem Grundsatz, dass im Ursprungsland der Seide eine ihrer Produktionsstätten studiert werden sollte. In der größten und wichtigsten des Ortes besuchten wir die Werkhallen, in denen die Seidenraupenkokons sortiert, gekocht und abgesponnen werden. Auch der Spinnerei statteten wir einen Besuch ab, in der die Seidenfäden getrocknet, umgespult und für die Ablieferung in einer Weberei abgebündelt werden. Der obligatorische Ladenbesuch war natürlich auch in der Besichtigung enthalten, und ich konnte ein weißes Seiden- T-Shirt erwerben.
2.) Das Südtor mit seinen Bogenbrücken (9:20-9:40): Der Kaiser-Kanal durchzieht Suzhou und bildet den Hauptstrang zahlreicher Seiten und Zufahrtskanäle. Dieses Kanalsystem ist zwar das wichtigste - örtliche und überörtliche - Verkehrsnetz, die Wohnviertel der Stadt sind aber außerdem durch ein dichtes Straßennetz miteinander verbunden. Dies bedingt eine Großzahl von Brücken und Brückchen, von denen die Bogenbrücken am alten östlichen Stadttor die größten und malerischten sind. Weil sie z.T. viele Jahrhunderte alt sind, eignen sie sich allenfalls für Fußgänger oder Fahrradverkehr.
3.) Beise-"Nordtempel" (9:55-10:20): Ein Wahrzeichen Suzhous ist heute die Backstein-Holz-Pagode des Nordtempels buddhistische Provenienz, die zwischen 907 und 923, also in der Liang-Zeit, über den Fundamenten einer älteren von 450 errichtet wurde und den Namen "Pagode der Dankbarkeit" (eines Herrschers gegenüber seiner entfernt wohnenden Mutter) trägt. Die Tempelbauten des Areals, die neuerdings renoviert wurden und Teil einer ausgedehnten Parkanlage sind, stammen aus den Dynastien der Ming und Qing. Bei Eintritt ins Areal begrüßt den Besucher in strahlenden Farben ein Ehrentor aus der Ming-Zeit. Von der siebten Etage der Pagode hatten wir einen eindrucksvollen Blick auf die verwinkelten Gassen und Kanäle der Stadt.
4.) Schwarzlack und Mahagony-Schnitzerei (10:30-11:10): Ein für Suzhou bekanntes Handwerk ist die Schnitzerei in den dick auf Mahagoni oder Buchsbaum aufgetragen Schwarzlack und die Anfertigung von Möbeln aus Mahagoni. Wir besuchten die bedeutendste Werkstatt des Ortes, in der in verschiedenen Gebäuden diese Kunst ausgeführt wird. Mahagoni, das für die Herstellung von Möbeln, Dosen, Tabletts, Lampenständern, u.a.m, verarbeite wird, stammt aus Thailand.
Die Tradition für diese Arbeiten geht auf die Ming-Zeit zurück, als man den Wert des damals als Schiffsballast nach Suzhou gelangten Werkstoffs erkannte. Den Ballast hatte man ursprünglich weggeworfen und wunderte sich, dass er auch nach Jahren noch nicht verfallen war. Daraufhin nahm man sich der alten Balken wieder an und begann, damit Holzhäuser in der Gartenstadt zu errichten. Da genügend Balken vorhanden waren, fertigte man schließlich auch Möbel und sonstige Einrichtungsgegenstände daraus an und bot diese in ganz China an. Daraus entwickelte sich eine große Produktion, deren Produkte heute jedoch vornehmlich für den Export in über 50 Länder bestimmt sind.
5.) Garten des "Verweilens" (11:25-12:00): Als eine der schönsten Gartenanlagen untersteht der Liuyuan dem staatlichen Denkmalschutz. Zwischen 1573 und 1620 erbaut, wurde er 1876 schon als Volkspark freigegeben. Er besteht aus vier Abschnitten, von denen der dritte besonders sehenswert ist. Hier befindet sich ein großer See, über dem, von Wandelgängen eingerahmt, kunstvoll gearbeitete Pavillons (aus Mahagoni) stehen. Seine Attraktion ist der 6,5 m hohe Taihu-Stein, der seit über 400 Jahren an Ort und Stelle steht. Wegen seiner Höhe trägt er den poetischen Namen "Der Wolkenhohe Gipfel".
So gerne wir in dem Garten noch länger verweilt hätten, unsere Zeit in Suzhou war leider abgelaufen.
Zum Mittagessen (12:05-12:50) wurden wir in das neu errichtete Hotel Yuan-wei-lou ("An der Straße außerhalb der Gärten") gebracht, dessen Innenhof einen Garten im traditionellen Stil darstellte. Das Essen war so gut, dass wir es als das eines "Paradieses auf Erden" würdig hätten halten mögen.
Als wir am Kai für Ausflugsboote angelangt waren, verabschiedeten wir uns von Frau Zhu und wurden vom Ortsbegleiter von Wuxi, Herrn Shen, begrüßt. Er hatte also die Aufgabe, uns nicht nur mit den Besonderheiten von Wuxi, sondern auch mit denen des Kaiserkanals zwischen Suzhou und Wuxi vertraut zu machen.
Am Kai lag ein malerisch gefertigtes, kaiserlich anmutendes Ausflugsboot, auf dem bereits unser Gepäck auf uns wartete. Wir traten in das Innere und stellten erstaunt fest, dass der Raum klimagekühlt und mit Polstermöbeln ausgestattet war. Die Tische waren mit teegefüllten Gläsern, Süßigkeiten und Obst gedeckt, so dass wir uns gleich ganz heimisch fühlten.
Als sich das Boot um 13:10 in Bewegung setzte und seine Fahrt auf dem altehrwürdigen Kanal begann, hielt es die meisten von uns nicht im durchaus nicht hermetisch verschlossenen Raum.
Draußen auf dem engen Bug des Boots konnten wir das Geschehen auf dem Kanal besser verfolgen und zudem durch den Fahrtwind Erfrischung erfahren. Dreieinhalb Stunden dauerte die Fahrt, während derer wir für eine kürzere Zeit im Bootinnern Herrn Shens Ausführungen aufnahmen.
Der Kanal ist 1794 km lang und verbindet Beijing mit Hangzhou, führt als durch die Provinzen Hebel, Shandong - mit Überquerung des Huanghe -, Jiangsu - mit Überquerung des Yangze - und Zhejing.
Mit seinem Bau wurde in der Sui-Zeit (581-618) begonnen und wurde in der Yuan-Zeit (1271-1368) von den Mongolen-Herrschern vollendet, die ihre Hauptstadt Khanbalik direkt an die Reiskammer am Unterlauf des Yangze anschließen wollten. Größtenteils wird diese Wasserstrecke, die bis zu 40 m breit und 3 m tief ist, auch heute noch für den Verkehr von Lastkähnen genutzt.
Auf der von uns befahrenen Strecke von 40 km haben wir die Verkehrsdichte bestaunt. Auf keinem Meter war mehr die Romantik einer Segelboot-befahrenen Wasserstraße zu spüren. Im Gegenteil, das Geräusch der unzähligen Zweitaktmotoren kleiner und kleinster Kähne und das großer Motoren von Schleppern, die einen Bandwurm von Kähnen hinter sich herzogen, wirkte teilweise ohrenbetäubend.
Die vor wenigen Jahren noch begegnenden Segler waren offensichtlich verdrängt. Dafür sah ich zum ersten Mal in meinem Leben Betonkähne. Bewundernswert erschien die Geschicklichkeit der Kapitäne, die ohne größere Kollisionen noch so enge Passagen gemeistert haben, Das wurde besonders in den wenigen Ortsdurchfahrten deutlich, während derer unser "Liner" auf Vorfahrt drängte.
Vor der "Ortseinfahrt" von Wuxi legte das Ausflugsboot um 16:40 an einen Sonderkai an, wo uns bereits unser Bus mit dem Fahrer Xü erwartete. Ohne unser Gepäck bestiegen wir den Bus und nahmen Kurs gen Hubin-Hotel über dem Taihu-Seeufer. Da wir einige Zeit bis dahin brauchten, erfuhren wir etliches über die Geschichte von Wuxi: Diese soll bis in die Shang-Zeit (16.-12.Jh. v.Chr.) zurück-reichen, als Wuxi Herrschaftszentrum eines Reiches Wu war. Zu jener Zeit hätten Zinnvorkommen der Stadt viel Reichtum gebracht.
Als diese Quelle jedoch versiegte - daher rührt der Name Wuxi = "Es gibt keinen Zinn (mehr)" -, verlor sie an Bedeutung. Ab der Zhou-Zeit (nach dem 11. Jh. v. Chr.) sei Suzhou an seine Stelle als Handels- und Kulturzentrum getreten, so dass Wuxi immer weite in die Rolle einer schlichten Kreisstadt mit landwirtschaftlichen Gepräge absank.
In der Moderne habe sie durch ihre 600 Industriewerke (Elektrotechnik, Maschinenbau, Textilproduktion für Seide, Baumwolle, Leinen und Kunstfaser sowie Seidenstickerei u.a.) wieder stark an Bedeutung gewonnen.
Sie stehe heute an 5. Stelle der Industriestädte Chinas, und sei nun mit ihren 870.000 Einwohnern die zweitgrößte Stadt der Provinz Jiangsu.
Zwischenzeitlich waren wir im Hotel angekommen (17:30) und bezogen jüngst renovierte und modern eingerichtet Zimmer.
Spezialitätenessen (18:30-20:00):
Im Orchideen-Saal des Hubin-Hotels hatte Herr Shen drei Tische decken lassen und hieß uns bei einem Begrüßungstrunk in gepflegter Atmosphäre willkommen. An jedem Platz lag eine Speisekarte, die die vorgesehen Gänge auf Chinesisch und Deutsch aufführte:
1 Kaltplatte, 8 Vorspeisen, 8 warme Speisen, 2 Nachtische und 1 Obstnachtisch. Mehr oder weniger jeder Gang war eine ausgesuchte Spezialität, die uns die hohe Kochkunst der Wuxi-Küche, die in der Tradition der von Shanghai steht, nahebrachte.
Nach diesem herausragenden Essen war ein kleiner Verdauungsspaziergang angebracht. Wir schlenderten also zu dem sehr dunklen See und trafen dort noch andere Mitreisende, mit denen wir uns dann noch zu einem Verdaungstrunk in der Hotelbar trafen.
letzte Änderung: 27.11.2019 · Copyright © 2003 - 2024 by Angelika Rosenzweig