Guilin - die Anima der chinesischen Malerei und Dichtkunst:
Schon seit Jahrhunderten inspirierte die bizarre Landschaft mit ihren formenreichen Karstkegeln und dem malerischen Li-Fluß die Künstler in ihrem Schaffen. Der Mensch fühlt sich hier klein in ein Universum der Natur gestellt. Will er sie auch Zuhause in seinen vier Wänden erleben, dann bedient er sich der Bonsai-Landschaft - also boten nicht zuletzt Guilin und seine Umgebung den Anstoß zu dieser urchinesischen Kleinkunst.
Für Guilin beginnt die Geschichte unter keinem geringeren als dem Kaiser Qin-Shehueng, der seit 214 v. Chr. über den Li-Fluß ein Kanalsystem zwischen den Strömen Yangze und Pearl einrichten ließ.
Unübersichtliche Landschaft und Höhlensysteme ermöglichten Schutzsuchenden dann auch zu allen Zeiten den Rückzug: u.a. der fliehenden Familie der Ming-Kaiser 1644 und den Republikanern vor den Japanern 1937-1945 - damals stieg die Einwohnerzahl der Provinzstadt sprunghaft über 1 Mill. an. Eine bewußt gering gehaltene Industrialisierung und intensive Landwirtschaft (es werden u.a. Reis, Hanf, Zuckerrohr, Manjok, Taro, Erdnüsse, Rizinus und Zitrusfrüchte angebaut) geben der Stadt mit dem poetischen Namen "Wald-von-Osmanthus-Bäumen" (Gui-lin) und ihrer heute 320.000 zählenden Bevölkerung ein eher romantisches als geschäftiges Gepräge.
Wir erreichten die Stadt um 9:50, das sehr kärgliche Frühstück im Zug vermochte kaum, uns nach der wackligen Nacht fit zu machen - und wurden auf dem Bahnsteig von Frau Pan in Empfang genommen; sie und der Fahrer Li versuchten, uns den Aufenthalt auf der letzten Station unserer vielseitigen Chinareise so schön wie möglich zu machen.
Dazu gehörte, dass wir den Rest des Ankunftsvormittags in dem schönen Lijiang-Hotel über dem Li-Fluß - hier trafen wir um 10:30 ein - bleiben und uns nach eigener Vorstellung von den Strapazen der Nachtfahrt erholen konnten, leider traf unser Gepäck erst um 12:00 ein.
Zu den ersten Besichtigungen trafen wir uns nach dem Mittagessen.
1.) Schilfrohrflöten-Höhle (14:15-15:55): Nach kurzer Fahrt in westlicher Richtung gelangten wir zu größten und eindruckvollsten Tropfsteinhöhle der Karstkegellandschaft, die schon in der Tang-Zeit bekannt, dann aber bis zum Ende des letzten Jahrhunderts wieder in Vergessenheit geraten war. 1959 wurde sie für Besucher hergerichtet und mit Lampen ausgestattet. Frau Pan versuchte, uns die bizarren Gebilde von Stalagtiten und Stalagmiten in Vergleichen aus Menschen-, Pflanzen- und Tierwelt nahezubringen. Bei z.T. überraschend farbenfroher Beleuchtung konnte man dabei tatsächlich meinen, dass die Steingebilde lebten. Den Höhepunkt bildete die Haupthöhle, der "Kristall-Palast", mit seinen "1000 Personen", die sich teilweise in Wasserpfützen spiegelten. Nach dem Verlassen der Höhlenwelt gingen wir zu einen Aussichtspavillon, von dem aus wir den schönen Blick in die Karstkegellandschaft genossen.
2.) Alter chinesische Friedhof (16:10-16:15): Da im neuen China die Einäscherung der Toten üblich ist, sind Friedhöfe selten und zumeist aus älterer Zeit. Das trifft auch auf jenen zu, den wir nahe der Tropfsteinhöhle am Wegesrand besuchten.
3.) Fubo-Berg (16:20-17:20): Ein General der Han-Zeit (202 v. Chr.- 220 n.Chr.) soll bei der Namensgebung des Karstkegels im Stadtbereich auf dem rechten Ufer des Li-Flusses Pate gestanden haben - daraus ist allenfalls zu schließen, dass der Hügel schon zu jener Zeit Beachtung gefunden hatte. Ansonsten weist der Hügel vier Sehenswürdigkeiten auf: 1. eine 2500 kg schwere Eisenglocke, die aus einem nahegelegenen Tempel hierher gebracht wurde; 2. der Höhlendurchgang zum Fluß, an dessen Wänden allerlei alte und neuere Inschriften sowie Buddha-Bodhisattva-Reliefs angebracht sind; 3. der "Schwertprüf-Stein", eine Felsspitze, die unter Aussparung weniger Zentimeter zum Felsboden herabhängt, die Lücke soll der Legende nach dadurch entstanden sein, dass sie ein König mit seinem Schwert schlug, um die Härte seine Schwertes zu prüfen; 4. eine hochliegende buddhistische Höhle, deren Wände Buddha-Reliefs mit ca 200 Figuren aufweisen, deren älteste aus der Tang-Zeit herrühren.
Nach diesem Programmpunkt fuhren wir zum Hotel und hatten vor dem Abendessen noch die Gelegenheit ein "Runde um den Block" zu machen.
Nach dem Abendessen beobachteten wir den Sonnenuntergang von der Dachterrasse aus.
Wir verließen unser Hotel um 9:00, um bei schönen Wetter vom Li-Fluß aus die unvergleichliche Karstkegellandschaft im südlichen Umkreis von Guilin zu erleben. Zunächst fuhren wir mit dem Bus einige Kilometer auf dem Westufer flußabwärts und schifften uns um 9:45 in Jiujiang ein. Das Boot legte um 10:15 im Verein mit vielen Schwesterbooten, die alle, wie unseres mit Touristen vollbesetzt waren, ab und glitt sachte über das zum Teil recht seichte Wasser. Malerische Weiler, Dörfer, Felder, Bambushaine und die sich tief staffelnden Karstkegel erquickten unsere Augen und Sinne.
Da die Szenen sich bei jeder Flußwindung wandelten, verstrich die Zeit wie im Fluge, sodass wir uns geradezu gestört fühlten, als nach knapp zwei Stunden zum Mittagessen aus der Bordküche geladen wurde (12:00-13:00). Aus Appetitmangel zog ich es jedoch vor, diese Zeit mit nur ganz wenigen ungestört auf dem Dach des Schiffes zu verbringen.
Um 14:00 trafen wir am Zielort Yangshuo ein und stiegen zur Rückfahrt nach Guilin in den Bus um, der zwischenzeitlich eingetroffen war.
Da wir bis zum Abflug am Abend noch genug Zeit hatten, legten wir während der Rückfahrt zwei Stops ein: In einem Dorf (14:35-14:55), dessen Einwohner ihre Ernte z. T auf der Straße trockneten, und an einer Stelle mit einem besonders schönen Blick auf die Landschaft (15:10).
Nach Erreichen der Stadt hielten wir zunächst am "Elefantenrüssel-Berg", der als Wahrzeichen Guilins auf den roten 50-Y-Scheinen abgebildet ist (16:30), an und ließen uns dann zu einer kurzen Erfrischungspause in das von uns bereits aufgegebene Hotel Lijiang bringen (16:30-17:10).
Den Abschluß unseres Guilin-Aufenthaltes bildete ein Besuch des Garten-Cafes im Ramada-Renaissance-Hotel, einem der neuen Luxushotels, das auf dem linken Flußufer liegt (17:20-18:40). Von hier aus fuhren wir dann direkt zum Flughafen, an dem wir uns um 19:15 von Frau Pan verabschiedeten.
In der im Umbau befindlichen Wartehalle des Flughafens von Guilin mußten wir noch gut eineinhalb Stunden warten, bis wir zum Einstieg in eine Tupolev 154 älteren Typs (Flug CA 3936) aufgefordert wurden. Sie hob um 21:06 ab, nahm Kurs gen Osten und landete bereits um 21:47 in Guangzhou.
Hier wurden wir von dem hilfsbereiten Herrn Li empfangen, der uns, statt direkt ins White-Swan-Hotel, zum reichlich späten Abschiedsessen (22:30-24:00) im Tao-Tao-Ju ("Haus reichlicher Freude")-Restaurant zu bringen hatte. Nach den Anstrengungen des Tages - und der vorangegangenen Wochen - waren wir kaum mehr in der Lage, diesen kulinarischen Genuß der Kanton-Küche voll aufzunehmen. Schuld daran trug auch der Koch, der zu solch später Stunde die einzelnen Spezialitäten in allzu schneller Abfolge anrichtete, so dass sie in bereits abgekühltem Zustand auf unsere Tische kamen. Nichtsdestoweniger war dieses Essen hinsichtlich der Speisenvielfalt und ihrer Zubereitung zweifelsohne eines der besten, die wir während der drei Wochen angeboten bekommen hatten.
Das uns für die Übernachtung zugedachte Luxushotel White Swan auf der Pearl-Fluss-Insel Shamian erreichten wir schließlich um 0:30 und bezogen die einladenden Zimmer.
Der Tourplan sah vor, dass wir in Guangzhou (Kanton) keinen Aufenthalt für Besichtigungen hatten. Trotzdem sei gestattet einen knappen Überblick über Geschichte und Bedeutung der Stadt zu geben:
Guangzhou/Kanton, die Hauptstadt der Provinz Guangdong am Pearl-Fluss, wurde nach gewissen Traditionen bereits unter dem ersten Kaiser Chinas, Qin She-huang 214 v. Chr. gegründet, als er den Weg zum südlichen Meer fand.
Bedeutung erlangte Guangzhou jedoch erst in der Song-Zeit (960-1279), als sich hier in der südlichen Song-Zeit(ab 1127) Industriezweige etabliert haben: Webereien, Schmiedehandwerk, Schiffbau und vor allem Tonwarenproduktion, die sich wegen des Vorkommens von gutem Ton schnell ausgedehnt und bis heute gehalten hat. Anfang des 16. Jahrhunderts öffnete sich die Stadt als erste Chinas während der Ming-Zeit dem europäischen Einfluß, zunächst den Portugiesen, dann den Franzosen, und geriet in immer stärker werdende Opposition zum traditionsgebundenen Hinterland, weil sich schon im 19. Jhd. demokratische und revolutionäre Ideen aus Europa breitmachten. Der erste folgenschwere Zusammenstoß zwischen kaiserlichen und europäisch-englischen Interessen führte infolge des Opiumverbots zum "Opiumkrieg" 1840-1841. Die Niederlage des Kaisers brachte China damals an den Rand kolonialer Abhängigkeit. Diese Sonderstellung Guangzhous führte schließlich dazu, dass Dr, Sun Yatsen von hier aus 1911 gegen die Qing-Kaiser-Familie in Beijing rebellierte und nach seinem Erfolg 1923 die Nationalpartei (Guomindang) ins Leben rief.
Mit 3,2 Mill. Einwohnern, bei Einbeziehung des Umlands 5,8 Mill., ist Guangzhou heute eine der größten Städte Chinas und hielt mit seiner Messe auch während der jüngsten Isolierungszeit Chinas stets Kontakt mit der Außenwelt. Erleichtert wurde dies durch die Nähe zu Hongkong. Wenn man heute durch die Altstadt kommt, dann ist die alte Herrlichkeit nur noch zu spüren. Die vier bis fünf-stöckigen Häuser zeugen von großem Wohlstand der Jahrhundertwende, die Insel Shamian, ehedem Ghetto für Europäer und Tabu für Chinesen, von großer europäischer Vergangenheit. Es war schade, dass wir keine Gelegenheit und Zeit hatten, uns intensiver mit Guangzhou zu beschäftigen: Herr Li hat uns zwar während der beiden Busfahrten einiges erzählt, uns fehlte jedoch jeglicher Anschauungsunterricht.
letzte Änderung: 27.11.2019 · Copyright © 2003 - 2024 by Angelika Rosenzweig