Der Abflug von Tegel war leider nicht pünktlich, sondern 1½, Stunden später um 16:00, um 19:30 landeten wir in Iraklion. Unsere Freundin Renate aus München war schon da und wartete auf uns. Bis wir unseren Mietwagen hatten und endlich abfahren konnten, war es schon 20:30, so mussten wir leider im Dunklen fahren. Die Fahrt war dennoch problemlos und wir kamen kurz vor 22:00 in Pitsidia an. Das Akropol hatte viele Zimmer frei und so konnten wir uns aussuchen, natürlich oben mit Blick auf das "Nilpferd". (Die Insel Paximadia sieht von dieser Stelle wirklich wie ein Nilpferd aus).
Pitsidia liegt im Süden Kretas in der Messara-Ebene, links neben der Straße nach Matala, etwa 6 km davor.
Im Gegensatz zu Matala ist Pitsidia noch vergleichsweise ruhig und verschlafen, keine großen Hotels. Auch ist es den "Pitsidianern" gelungen, den alten Ortscharakter trotz mehrerer neuer Tavernen zu erhalten, es ist zum Teil sogar noch schöner geworden. Alte fast verfallene Häuschen werden von diversen Ausländern erworben und liebevoll restauriert. Im Vergleich zu 1982, als ich das erste Mal dort war, ist Pitsidia richtig groß geworden, aber der alte Ort wurde nicht zerstört, sondern neue Häuser drumherum gebaut.
Wir wohnen seit Jahren immer bei Georgio und Souboulia im Akropol, einem Restaurant direkt an der Bushaltestelle, das aufgestockt wurde und so auch ein paar einfache, aber blitzsaubere Zimmer anbietet. Die Küche im Akropol ist noch richtig griechisch, nicht der von vielen Touristen gewünschte Grillteller, sondern gefüllte Tomaten, Bohnen mit Kartoffeln, Huhn in Zitronensoße usw. und das beste Zaziki der Welt.
Wir nahmen noch einen Willkommensschluck und gingen dann bald schlafen.
Nach dem Frühstück gegen 10:00 fuhren wir nach Mires.
Mires ist das Verwaltungszentrum der Messara-Ebene, ein lebendiges Städtchen, Knotenpunkt der Busse und Schulstadt. Jeden Sonnabend ist Markt, ein Teil mit Obst und Gemüse, das die Bauern aus den umliegenden Dörfern verkaufen, ein Teil mit Klamotten aller Art, neu oder gebraucht.
Außerdem gibt es Fisch, Käse, Honig, lebende Hühner und Küken und vieles mehr.
Wir schlenderten über den Markt, der wie immer sehr voll und sehr heiß war, hatten auch bald genug davon und suchten uns ein schattiges Plätzchen vor einer Taverne an der Hauptstraße und sahen dem Markttreiben bei einem Kaffee von dort aus zu.
Der Rest des Tages war recht gemütlich, Mittagessen im Akropol, Mittagsschläfchen, eine kleine Runde durch Pitsidia, um zu sehen, ob sich was verändert hat und um alte Bekannte zu begrüßen. Das Abendessen fand wieder im Akropol statt, wo wir auch den Rest des Abends verbrachten.
Nach dem Frühstück fuhren wir zum Komos Strand. Noch vor ein paar Jahren war der Strand nur durch einen halbstündigen Fußmarsch von Pitsidia aus erreichbar. Entweder man ging die Straße in Richtung Matala und bog am Campingplatz rechts ab und dann immer am Berghang entlang bis zum Strand, oder man ging durchs Tal, ein Feldweg hinter dem Akropol führte bis zu den Ausgrabungen am Strand. Heute ist der Feldweg eine Straße, die in der prallen Sonne liegt, aber keine Steigungen hat und sich gut befahren lässt. Auch der andere Weg am Campingplatz vorbei lässt sich inzwischen gut befahren, nur das letzte steile Stück muss man laufen, wenn man keinen Jeep hat.
Die Ausgrabungen von Komos werden seit 1976 durchgeführt, hier lag der alte Hafen von Festos, der ca. 1550 v. Chr. durch ein Erdbeben zerstört wurde. Die Ausgrabungen gehen Jahr für Jahr ganz gut voran, zu besichtigen sind sie allerdings nur von außen als Zaungast.
Diese Ausgrabungen und der Umstand, dass am Strand von Komos die selten gewordenen Meeresschildkröten ihre Eier ablegen, verhindert, dass dieser Strandabschnitt bebaut wird. Das einzige Haus am südlichen Ende des Strandes ist eine kleine Taverne mit Selbstbedienung, wo es Kleinigkeiten zu essen und etwas zu trinken gibt.
Dadurch, dass man jetzt zum Strand fahren kann, ist es hier deutlich voller geworden, sogar ein Sonnenschirm und Liegenverleih hat sich angesiedelt (sehr teuer). Trotzdem wirkt der Strand niemals richtig voll, denn er zieht sich kilometerlang nach Norden, vorbei an Kalamaki bis nach Kokkinos Pirgos.
Wir mieteten trotz der Wucherpreise einem Schirm und Liegen und verbrachten so den ganzen Tag am Strand mit faulenzen, lesen und baden.
Zum Abendessen fuhren wir nach Matala zu den "Zwei Brüdern" und bummelten anschließend durch das abendliche Matala.
Matala liegt eingebettet zwischen mächtigen Sandsteinschollen in einer breiten Bucht. An den nördlichen etwa 40 Meter hohen Felshängen sind die berühmten Höhlenwohnungen der Jungsteinzeit zu finden.
In den 60'er Jahren wurden die Höhlen von Hippies entdeckt, die sich dort einquartierten, von den Bewohnern Matalas gerade so geduldet, ihnen folgten in den Siebzigern Scharen von Rucksacktouristen, die auch alle in den Höhlen und am Strand schliefen, aber auch ihren Müll und Dreck überall herumliegen ließen.
Nun entstanden die ersten Tavernen und Pensionen, denn es folgten die Individualtouristen, die ein Bett dem Strand vorzogen. Inzwischen wurden dann die Höhlen eingezäunt und durften nicht mehr betreten werden, um eine völlig Verwahrlosung und auch Zerstörung zu verhindern. In den Neunzigern wurden die Höhlen gesäubert, restauriert und sind heute gegen Eintritt zu besichtigen.
Die kleine Bucht wurde nach und nach ziemlich zugebaut, in den frühen Achtzigern wurden sogar die Bäume gefällt um mehr Platz zu gewinnen. Dann folgten die Pauschaltouristen und Matala platzte aus allen Nähten und zieht sich heute schon das ganze Tal hinter der Bucht entlang, mit neuen Hotelbauten, die allerdings alle nicht höher als zweistöckig sind, und so die Landschaft nicht allzu sehr verschandeln.
Die Einsamkeit findet man heute in Matala nicht mehr, aber doch noch verträumte Ecken, wie zum Beispiel eine kleine Felsenkirche am Südhang und kleine alte Häuschen, wenn man sich etwas von den Andenkenläden wegbewegt.
Tagsüber werden die Tagestouristen aus dem Norden am Strand "ausgekippt", verschwinden aber spätestens um 17:00 wieder. Dann ist es nur noch halb so voll und der Charme und die Schönheit der Bucht sind dann in der Abendstimmung wieder zu erkennen.
Wir genossen den Sonnenuntergang bei einem Drink an der südlichen Seite der Bucht mit Blick auf die Höhlen im weichen Abendlicht.
Wir brachen um 9:30 auf, fuhren zunächst Richtung Iraklion, dann auf die Schnellstraße Richtung Rethimnon, bogen bei Panormos von dieser ab, tranken in Perama einen Kaffee und kamen gegen 11:30 am Kloster Arkadi an.
Auf den ersten Blick macht das Kloster eher den Eindruck einer Festung. Der erste Klosterbau entstand vermutlich zwischen 610 und 640 n. Chr. Die heutigen Bauten stammen hauptsächlich aus dem 16. Jahrhundert, wie die Fassade der Klosterkirche, die 1587 in einem Stilgemisch erbaut wurde. Gotische Bögen, Girlanden der Frührenaissance, korinthische Säulen des Klassizismus und schließlich Barockelemente bilden durch geschickte Kombination einen harmonischen Gesamteindruck.
Der 8. November 1866 war der Schicksalstag des Klosters. Am 1. Mai 1866 versammelten sich im Kloster Freiheitskämpfer um gegen die Steuererhöhungen der türkischen Besatzer zu protestieren und wählten als Führer des Widerstandes den Abt des Klosters Gabriel. Der Pascha von Rethimnon drohte dem Abt mehrmals, das Kloster niederzubrennen, wenn er weiter Rebellen Unterschlupf gewähre. Am 7. November befanden sich 964 Menschen im Kloster, davon 639 Frauen und Kinder die vor der Willkür der Türken ins Kloster geflohen waren. An diesem Tag marschierten 15.000 Türken auf um das Kloster zu belagern. Zwei Tage wehrten sich die Eingeschlossenen verbissen, als dann die Niederlage deutlich abzusehen war, beschlossen sie, sich selbst mit dem Pulvermagazin in die Luft zu sprengen, um nicht in die Hände der Türken zu fallen und noch möglichst viele mit in den Tod zu nehmen.
Am 9. November früh durchbrachen die Türken das Eingangstor des Klosters und die Überlebenden des Kampfes verbarrikadierten sich im Pulvermagazin.
Als die Türken dort die Tür aufbrachen, schoss der Kommandant der Kreter in die Pulverfässer und mit einer gewaltigen Stichflamme flog das Arsenal in die Luft, 36 überleben, wurden aber von den Türken niedergemetzelt, weitere 114 Überlebende wurden von den Türken gefangen genommen, 1800 Türken fanden bei der Explosion den Tod.
Durch dieses Ereignis wurde die Weltöffentlichkeit auf das Leiden der Kreter unter der türkischen Besatzung aufmerksam, es dauerte aber noch 30 Jahre bis Russland, Italien, Frankreich und Großbritannien eingriffen und die Türken von Kreta vertrieben.
Am 8. November wird alljährlich der Nationalfeiertag der Kreter gefeiert, eine große Prozession zieht zum Kloster und es werden feierliche Messen gelesen.
Wir besichtigten das Kloster in aller Ruhe, wir hatten Glück, es war gerade kein Reisebus mit Touristen dort und so waren wir fast alleine.
Nach der Besichtigung wollten wir etwas essen und beschlossen ans Wasser zu fahren. In Perivolia, kurz vor Rethimnon fanden wir ein nettes Restaurant direkt am Strand, aßen dort auch ganz gut und machten Pause am Strand, das Wasser war schön warm. Um 16:00 brachen wir auf, um uns noch ein wenig in Rethimnon umzusehen. Irgendwie fehlte uns die rechte Lust zum Herumschlendern und so machten wir uns gegen 17:00 wieder auf den Heimweg. Zuerst fanden wir die richtige Straße nicht, kamen auf eine Nebenstraße, von der man noch mal einen schönen Blick auf Rethimnon hatte und diese führte uns dann doch noch auf die richtige Straße nach Süden über Galos, Spili, Agia Galini, Timbaki zurück nach Pitsidia. Das Abendessen fand dann im Akropol statt.
Um halb zehn fuhren wir nach Mires, Rolf ging dort zum Frisör. Dort gab es ein kleines Missverständnis, wir zeigten dem Frisör mit den Fingern, wie viel er abschneiden sollte, aber er hatte verstanden, dass soviel übrigbleiben sollte und fing an zu schneiden. Als wir das Missverständnis bemerkten, war es zu spät, also blieben nicht so viele Haare übrig, es war dann wirklich sehr kurz. Wir liefen noch in Mires herum und fuhren dann mit dem Auto noch ein wenig spazieren.
Zurück in Pitsidia passierte dann auch nicht mehr viel, also mehr ein geruhsamer Tag.
Kurz nach 8:00 brachen wir auf, wir wollten noch mal nach Rethimnon. Wir erwischten aus Versehen die "falsche" Straße, dort ist die Fahrt nach Rethimnon doppelt so lang wie auf der Straße, die über Spili führt, aber dafür auch doppelt so schön.
Diese alte Straße nach Rethimnon führt mitten zwischen zwei Gebirgsstöcke hindurch, rechts das Ida-Gebirge mit dem Psiloritis, links das Kedros Massiv.
Sehr bald nach der Abzweigung von der Hauptstraße ging es ziemlich schnell nach oben. Wir kamen durch die sehr geruhsam wirkenden Dörfer Apodoulou, Nithavris, Kouroutes und Fourfouras. Einige Kilometer nach der Abzweigung nach Armari ist dann der höchste Punkt der Strecke, es ging Richtung Norden wieder abwärts und irgendwann sahen wir plötzlich hinter einer Kurve wieder das Meer. Der erste Ort am Wasser ist dann Perivolia.
Das Wetter war so schön, wir hatten Hunger und Durst, eine Taverne direkt am Strand war sehr einladend, dann hatten wir auch keine Lust mehr weiter zu fahren, denn das Wasser war sehr verlockend, also blieben wir am Strand. Zurück fuhren wir dann die neue Straße über Spili. Zu Abend aßen wir in Pitsidia in der Taverne bei Eva und Nikos, sehr lecker und nicht teuer.
Diesen Tag wollten wir nach Ierapetra fahren. Wir starteten um halbneun fuhren über Mires, Agia Deka, Gangales, Messohori nach Kato Kastelliani. Ab hier ging es ständig bergauf über Martha bis zu Passhöhe kurz vor Ano Viannis. Für den Beifahrer bieten sich wunderbare Ausblick, zum Teil bis zum Libischen Meer und nach der anderen Seite auf das Dikti Gebirge. Hinter Ano Viannis wird es für kretische Verhältnisse sehr grün, fast ein richtiger Wald. Die Straße windet sich in abenteuerlich Serpentinen wieder abwärts.
Kurz vor Mirthos, als wir schon fast wieder unten waren und die Straße schon wieder deutlich breiter war, kam unser Auto ins Rutschen, es hatte kurz vorher ein wenig geregnet und der feuchte Staub war so ähnlich wie Schmierseife.
Glücklicherweise waren hier keine Abhänge mehr, sondern auf der einen Seite der Straße Felder und auf der anderen ein Mäuerchen. Das Auto suchte sich das Mäuerchen aus und wir knallten ziemlich heftig dagegen. Der Airbag explodierte, aber uns war nichts passiert, nur das Auto sah vorne rechts ziemlich schlimm aus. Zuerst kamen englische Touristen vorbei, die dann zurück nach Mirthos fuhren, um Hilfe zu holen, dann kamen ein paar Griechen und dann die Polizei. Alle wollten wissen, ob uns etwas passiert sei, als wir dann versicherten, wir seien ok, nur das Auto hätte Schaden genommen, war man einstimmig der Meinung, dass es sich also um eine Lappalie handelte. Die Polizei nahm den Unfall auf, d.h. ein Polizist schrieb unsere Namen und den unserer Eltern (wieso eigentlich?) auf einen Schmierzettel.
Dann nahmen sie uns mit nach Mirthos. Blöderweise hatten wir ausgerechnet an diesem Tag kein Handy dabei, aber wir konnten dann von einem öffentlichen Telefon aus Europcar anrufen.
Eine englisch sprechende Dame meinte dann zu mir, ich solle in 10 Minuten noch mal anrufen, sie ginge jemanden holen der Deutsch spricht. Also rief ich nach 10 Minuten noch einmal an und tatsächlich war ein Mensch am Telefon, der wirklich fließend Deutsch sprach, er wollte uns ein neues Auto bringen lassen, aber das ginge erst nach der Mittagspause um 17:00 oder wir könnten nach Agios Nikolaos fahren und uns dort ein neues Auto holen. Um nicht so lange in Mirthos bleiben zu müssen, beschlossen wir, nach Agios Nikolaos zu fahren, die Zeit war auch günstig, der Bus nach Ierapetra fuhr um 13:00 und es war gerade 10 vor eins. Wir verabschiedeten uns von den freundlichen Polizisten und fuhren los. In Ierapetra konnten wir um 14:30 nach Agios Nikolaos weiterfahren und waren eine Stunde später dort. Nun mussten wir nur noch bis 17:00 warten, bis das Büro wieder öffnete, was wir in einer netten Taverne mit Blick aufs Wasser kaffeetrinkenderweise dann auch taten. Wir bekamen dann ohne Kommentar ein neues Auto und konnten nun zurück nach Pitsidia fahren. Nach dem Schreck fuhr Rolf alle Abwärtskurven sehr sehr vorsichtig, was uns das eine oder andere ungeduldige Gehupe einheimischer Fahrer eintrug.
letzte Änderung: 29.11.2019 · Copyright © 2003 - 2024 by Angelika Rosenzweig